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25 Sept 2013

Wilska interview from Interregnum

Date: August 2nd 2005

FINNTROLL

INTERREGNUM im Gespräch mit Wilska (voc)


Im Gegensatz zur lustig ausgelassenen Musik von FINNTROLL zwischen Black Metal und Humppa-Polka, hat die Geschichte der Band sehr tragische Momente. Sänger Kattla verlor wegen eines Tumors an den Stimmbändern seine Fähigkeit zu singen und Gitarrist Somnium verstarb 2003. Damit sind die geistigen Väter FINNTROLLs nicht mehr in der Band. Trotzdem ist die Gruppe erfolgreicher denn je. Kein Wunder, wird die von Kattla und Somnium erfundene Musizierweise doch konsequent weitergeführt. 

 Wie gehen Humppa und menschliche Tragödien zusammen? Tanzt man sich den Kummer weg? 

 Ja, die Band hatte schon seit ihrer Gründung eine Pechsträne. Zuerst, nachdem sich die  Stimmprobleme Kattlas abgezeichnet hatten, dachten wir schon, daß es eine ziemliche Tragödie sei. Ich war jahrelang der Soundmann für die Band. Ich habe auch einige Gesangsparts für ihre früheren Alben eingesungen. Als das nun passierte, war ich kurz davor zu fragen, ob ich nicht der Band beitreten könne. Dann jedoch fragte mich Kattla zuerst, ob ich nicht einsteigen möchte. Die Sache mit unserem Gitarristen war natürlich viel übler. Für einen kurzen Moment dachten wir darüber nach, die Brocken hinzuschmeißen. Nach reiflichen Überlegungen kamen wir aber an den Punkt, an dem wir uns sagten, daß Somnium so viel Energie mit in die Band brachte. Dieses Kapitel für immer zu schließen, wäre eine Beleidigung des Andenkens an Somnium gewesen. Wir wurden uns dessen bewußt, welche Zeiten wir zusammen durchgemacht haben. Die Band auf Grund des tragischen Todes eines Mitgliedes wegen aufzulösen, konnte nicht der richtige Weg sein.
 
 Die Legende besagt, daß Kattla und Somnium in einer Bierlaune die FINNTROLL-Musik erfanden. Wieviel von ihnen steckt noch in den heutigen Songs der Band? 

 Oh ja, die ursprüngliche Idee zu FINNTROLL entstand, als die beiden ziemlich besoffen im Proberaum abhingen. Auch heute ist es kein Geheimnis, daß wir an einem guten Tag den ein oder anderen Drink nicht verschmähen. Die Sache bei FINNTROLL war schon immer so, daß wir zwar die Platten nicht im Vollrausch aufnehmen, wir dennoch den Blues brauchen, das Party-Feeling mögen. Nochmal, es ist kein Geheimnis, daß, wenn wir auf Tour sind, wir stets feiern und hin und wieder mal ordentlich durchdrehen. Touren, vor Leuten live spielen, das ist es, was FINNTROLL eigentlich ausmacht. Wir gehören nicht zu der Art von Musikern, welche sich stets im muffigen Bus verkriechen und sich fragen, warum sie eigentlich hier sind. Wir gehen raus und haben zwei Wochen am Stück Party.

 In Deutschland herrscht das Klischee vor, daß die Finnen saufen bis zum Umfallen. Wir selbst zumindest haben bei Festivals die Finnen immer im Vollrausch erlebt. Stimmt dieses Klischee? Wenn ja, wie kommt es, daß ausgerechnet die Finnen soviel saufen?

 Im weitesten Sinne ist das wahr. Wir haben diesen Ruf. Ja wir gehen raus und haben Spaß. Unsere Crew, unser Tourmanager und unsere Busfahrer sagen uns immer, daß wir viel extremer sind als andere. Wir saufen und saufen, und wir hören nicht auf. Wir saufen einfach weiter. So sind wir eben. Ich schiebe das auf die langen finnischen Winter. Da gibt es nichts anderes zu tun. Dieses Land ist eben rau. 

 Finnland war Deutschlands Verbündeter im Zweiten Weltkrieg. Die Währung nannte sich wie bei uns Mark, und finnische Bands bringen in Deutschland deutschsprachige Platten raus. Gibt es seitens der Finnen eine stärkere Beziehung zu den Deutschen als zu anderen Völkern?

 Ja, wir teilen eine Menge Geschichte mit den Deutschen, aber wenn ich mich an die Touren durch Europa erinnere, sehe ich keine großen Unterschiede. Natürlich gibt es lokale Unterschiede und auch einige verrückte Nuancen, aber grundlegend ist es überall dasselbe.
Aber selbstverständlich genießen wir Touren durch Deutschland. Wir waren hier schon oft. Wir haben hier viele Fans, die uns schon seit Jahren unterstützen. Wir kommen gerne hierher, dann und wann. 

 Dieses Humppa-Zeug klingt streckenweise wie russische Folklore. Gibt es da Einflüsse?

 Ja natürlich. Du findest diese finnische Mentalität, gepaart mit den slawischen, melancholischen Melodien unterschwellig in unserer Musik. Auf eine gewisse Art steckt das in uns. Die Russen waren schon immer unter uns. Sie sind der große, böse Nachbar.

Der Name der Band und auch das Cover des neuen Albums lassen auf Geschichten aus einem heimatlichen Sagenschatz schließen. Wovon erzählt ihr in euren Texten?

 Was ich über das Album sagen kann ist, daß wir versuchten eine Platte zu machen, die aufzeigt, woher wir kommen aber auch neue Einflüsse mit einbringt. Wir begannen mit neuen Sachen zu experimentieren. Wir hatten schon immer die Folk-Einflüsse. Die Rhythmik der Polka/Humppa Musik. Diesmal versuchten wir diese Anteile zu erhöhen und stärker in unsere Musik einfließen zu lassen. Einmal mehr haben wir versucht, die Texte wie gehabt zu gestalten. Die Themen waren schon immer dieselben. Die Metaphorik, die Trolle, die Waldleute. Du kannst unsere Texte als folkloristische Sagas ansehen. Wir sehen sie als Metaphorik, die wir mit unserer Musik vereinen wollen. Du kannst unsere Band aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Es hängt vom Hörer ab. 

 Ist der Folk in Eurer Musik der reine Spaß oder ist damit unter Umständen auch nationale Identität verbundenen?

 Ja, in unserer Band hört jeder schon seit geraumer Zeit gern die Musik verschiedener Folk-Stars. Wir nehmen natürlich auch Einflüsse von anderen Kulturen auf, aber die Sache mit dem Folk-Melodien ist etwas, das wir schon mit der Muttermilch aufgenommen haben. Es klingt stets durch, daß wir mit diesen Melodien aufgewachsen und fest mit ihnen verwurzelt sind. Also benutzen wir sie. Die Folkmelodien dienen nicht ausschließlich dem Spaß. Sie sind einfach da. Sie sind ein großer Teil der Band und von dem was wir ausdrücken möchten. 

 In Finnland gibt es mittlerweile eine richtige Szene der Folk/Black/Pagan-Bands. Ensiferum, Moonsorrow, Turisaz oder eben FINNTROLL. Ist das ein Phänomen oder folgerichtig, da die Jugend nach dieser Art von Musik giert? 

 Es stimmt, es kommen im Moment sehr viele Folk-angehauchte Bands aus Finnland. Natürlich gefällt es mir, sagen zu können, daß FINNTROLL ihr Scherflein zur Entstehung dieser Szene beigetragen haben. Ich denke, daß es für die finnische Metal-Szene sehr gesund ist, daß viele Bands kommen, die ihre eigene Identität besitzen. Ich kann nicht sagen, daß FINNTROLL und Ensiferum gleich klingen. FINNTROLL und Moonsorrow - ja, denn da gibt es Gemeinsamkeiten. Der Typ, der die Songs schreibt, spielt in beiden Bands. Aber Moonsorrow haben ihren eigenen Anspruch. Sie sind mehr auf die slawischen, melancholischen Einflüsse ausgerichtet. Sie sind mehr der Mixtur aus russischen und finnischen Sounds mit progressiveren Ansprüchen als wir verhaftet. Ich finde es sehr gesund, daß wir Bands haben, die zwar alle auf derselben Hochzeit tanzen und dennoch ihr eigenes, spezielles Publikum haben. Untereinander sind wir alle befreundet.

 Wenn man Musik vom Schlage „Nattföd“ macht, klingt man nicht nur extrem europäisch, sondern auch kompromißlos. Was haltet ihr von der kulturellen Übermacht der USA in Europa?

 Wir möchten das unsere Songs dieses slawisch/nordische Feeling verbreiten. Ich sehe keinen Sinn darin, den Sound irgendeiner amerikanischen Band zu übernehmen und zu reproduzieren. Wir haben genug von diesen Kopie-Bands. Die amerikanische Kultur ist heutzutage weltumfassend. Es gibt einiges in dieser Kultur, was auch mir gefällt. Wenn aber eine Kultur die der restlichen Welt unterwandert, ist das gefährlich. Wenn die Leute mit dieser Plastikkultur übersättigt werden, vergessen sie darüber ihre eigene nationale Identität und woher sie eigentlich kommen. Ich sehe in der amerikanischen Kultur einiges gutes aber hauptsächlich nur schlechtes. Man könnte es scherzhaft überspitzen und ein anderes Gleichnis ziehen: Würde es irgendeinen Sinn machen, die japanische Kultur nach Deutschland zu bringen? Stell dir vor, nächsten Monat tragen hier alle Kimonos und leben in Papierhäusern. Wo ist da der Sinn? Genauso ist es mit der amerikanischen Kultur. Ich mag die Kultur, ich habe eine Menge Freunde da drüben. Es ist schon verrückt. Man kann nichts dagegen machen. Die Mainstream-Kultur ist, was sie ist. Wir steuern unseren kleinen Teil dazu bei, das beizubehalten, was uns ausmacht und wie wir unser Leben leben. Ich versuche ein Stück von dem zu bewahren, was meine Regeln sind und wo ich herkomme.

Live ist das FINNTROLL-Material sehr aufreizend. Wie wäre es allerdings mal mit einer typischen Volksmusikkapelle auf Tour zu gehen, welche die Folk-Parts übernimmt?

Das wäre interessant. Wir haben schon einige Pläne mit ein paar Folkmusikern was aufzunehmen. Aber eine Folkband mit auf Tour zu bringen, wäre zu teuer und ein Haufen Arbeit. In so einer Tour steckt jetzt schon sehr viel Arbeit. Zum momentanen Zeitpunkt, da wir diesen Aufwand noch eher schlecht als recht bezahlt bekommen und keine allzu große Plattenfirma hinter uns haben, die eine Folkband anheuern könnte, ist es uns unmöglich. Natürlich haben wir Pläne, vielleicht in Zukunft.

Auch wenn diese Musik sehr lustig klingt, gibt es traurige Momente in der FINNTROLL-Welt?

Ja natürlich, wir wollten etwas von der Party-Atmosphäre in unserer Musik haben. Die Black-Metal-Kultur ist nicht so mein Ding. Es ist mir zu ernst. Man muß nicht ständig grimmig und „necro“ drauf sein. Das ist nichts für mich. Natürlich hatten wir auf dem letzten Album mehr ernsthafte Klänge. Die ganze Idee hinter der Band ist letztendlich sehr ernst. Wir sind mit Ernst und Leidenschaft dabei, was Themen anbelangt wie etwa unsere Ansichten über Religion, die Dummheit der Menschen, welche sich durch die moderne Kultur von der Natur abgewandt haben. Auf lange Sicht kann das nicht gut gehen. Was das anbelangt, sind wir schon sehr ernsthaft. Diese ernsten Gedanken, dafür steht unsere Band. Für den ideologischen Gedanken. In musikalischer Hinsicht liebe ich den Mix aus fröhlichen Folkparts und brutalem, mehr ernsthaftem Stoff. So ist das Leben, denke ich. Du kannst Dein Leben nicht damit verbringen, die ganze Zeit eine Fresse zu ziehen oder nur fröhlich zu sein. Wir wollen mit der Band unserer selbst Ausdruck verleihen. Das Leben hat Hochs und Tiefs. So auch wir und unsere Musik.